Gehts so…vom kleinen Glück und seiner Endlichkeit.
- Friederike Hohlfeld
- 9. Juni 2021
- 4 Min. Lesezeit
Das Gehen.
Lesedauer 4 Min

Gehts so...
spätestens dann wenn ich so antworte, auf die Frage “wie gehts Dir”, ist es Zeit für eine gute Strategie, um in meinen Alltag das Gas raus zu nehmen.
Ich übe noch, häufig gelingt es mir nicht so gut.
Doch was ist eine langanhaltende und energiegebende Antwort auf die Frage:
“Wie nehme ich meinem Alltag die Geschwindigkeit und fülle meinen Akku auf?”
Sofort muss Yoga oder eine Mediation her, was spontan im Alltag eher schwierig
umzusetzen ist. Meistens findet es ohne mich statt, weil ich entweder die Kinder ins Bett bringe, oder noch anderweitige Todos ableiste. Wer kennt das nicht. Fix den Meditationspodcast oder die Mediationsapp auf, der Versuch in sich ruhend den Atem zu beobachten, oder in das Becken zu fühlen macht mich meist in diesem Zustand noch unruhiger, denn ich schaffe es einfach nicht.
Der Monkey Mind fährt Achterbahn und anstatt mich zu erden, zu Einen mit meinem Selbst, poppen neue Gedanken auf. Weg vom Thema? weit gefehlt, mittendrin statt nebenbei.
Was also tun? Einfach Gehen?!
Ja einfach gehen, nix ist so einfach, fast überall verfügbar, es braucht keine Ausrüstung, keinen Kursbeginn, keinen Grundtrainingszustand, oder irgendetwas anderes, was uns daran hindern würde nicht sofort, ja jetzt raus zu gehen.
Für die Menschen, die sich schwer tun im Stillstand zu sein, egal ob körperlich oder vor Allem geistig, ist gehen oder wandern nach meiner persönlichen Meinung so wertvoll, um eine Pause von dem Projekt, dem Gedanken zu machen, an dem man momentan nicht weiter kommt.
Wenn da eine Wand ist, die senkrecht vor meinem geistigen Auge steht ist laufen, am Besten über eine Feld mit freien Blick genau dass, was die Wand durchdringbar oder kleiner macht.
Wie von selbst löst Sich der Gedankenknoten, das Monkey mind Karussell dreht langsamer. Der Körper ist in Bewegung, fühlt sich durch das gleichmäßige Atmen, gehen, steigen angenehm vertraut an, kein Wundern, denn gehen ist so sehr in unserem genetischen Code abgespeichert wie kaum eine andere archaische Tätigkeit.
Christian Sauer beschreibt diese in seinem Buch “Draußen gehen- Inspiration und Gelassenheit im Dialog mit der Natur” so treffend, warum gehen so effektiv und auch für ungeübte und schon fast dem olympischen Gedanken ausgesetzten “Achtsamkeitsjünger/innen” so einfach verfügbar ist:
“ Achtsamkeit setzt vor allem auf kontrollierte Bewusstheit. Gehen hat den Vorteil, dass der Körper uns hilft und wichtige Vorarbeit leistet. Er öffnet das Bewusstsein, ohne es zu kontrollieren.”
Dadurch, dass man nicht mit “geschlossenen Augen” durch eine Landschaft gehen kann, nicht nur die Stolperfalle sind es wert gesehen zu werden, sondern auch das grüne Moos an den vorbei ziehenden Bäumen, bringt uns Gehen aus dem kontrollierten Denken ( oder eben verkrampften “Nichts-denken”) in eine vertiefte Aufmerksamkeit, in eine besondere Wachheit.
Ähnlich wie ein tiefes Ausatmen, was wiederum eine tiefe Einatmung zur Folgen hat, geht man in einer Landschaft ist der Geist beschäftigt die Umgebung wahrzunehmen und gleichzeitig reagiert der Körper auf die Herausforderung, die der Weg mit sich bringt.
Was passiert dabei in unserem Gehirn?
Die einzelnen Positionen unsere Gelenke und der Spannungszustand unseren Muskel werden fortlaufend als Propriozeptive Leistung der tiefensensiblen Nerven, an unser Gehirn geleitet, verarbeitet und dann als Schleife zurück in die Peripherie des Körper geschickt, um die Bewegung in Ihre ökonomischen Qualität anzupassen. Da finden wahnsinnig komplexe Hirnvorgänge statt. Es fühlt sich dennoch nach Urlaub vom Denken an, da ist kein Reserve vorhanden analytisch zu Reflektieren.
Spannend ist auch die Frage des Zusammenhang von dem craniosacralen Rhythmus des Körpers mit dem Rhythmus des Gehens. Vorstellbar wäre, das der ganze Körper sich durch einen intuitiven Takt des Gehens selbstreguliert?
Rainer Brämer, Natur- und Wandersoziologe bestätigt eine psychophysischen Effekt des gleichmäßigen und stetigen Gehen. Am Besten draußen, wo sonst... mit dem Blick auf einer schönen Landschaft, besonders dann wenn es eine Landschaft mit Wiesen, Wäldern und Gewässern ist, signalisieren wir unserem archaischen Gehirn, alles ist gut es gibt genügend Nahrung aus Wald und Wasser, Du bist sicher. Du kannst entspannen.
Im Gehirn läuft dann ein kompletter Alpha-Wellen Rave der Ruhe und Entspannung ab.
Und da das ganze endlich ist, liegt das Glück im Moment, im Betrachten kleiner Ameisen
(Eltern von kleinen Kindern wissen, das ist eine nachmittag füllende Zenmeditation) oder den sanften Hügeln des Erzgebirgischen Sonnenuntergangs.
Im Dialog mit der Umgebung, von der einst unser Überleben abhängig war sind wir,
im Gegensatz zu der uns täglich übergestülpten digitalen Überfüllung, gehend am Besten in der Natur, näher an unserer ursprünglichen Aufgabe dran, als in jedem selfcare workshop.
“Dieser Dialog “, so Christian Sauer, “ mit der Landschaft, von der Suche nach dem sicheren Tritt und der Wetter Wahrnehmung, bis zum Einatmen der aerosolhaltigen Frischluft-erzeugt die eigentliche Wirkung des Gehens. Wenn innere und äußere Kommunikationsprozesse ineinander greifen.”
Also schneiden wir uns doch gelegentlich ein kleines Stück vom Glück ab und das bitte selbstbestimmt und gehen mehr (raus).
Besonders die sanfte Landschaft des Osterzgebirges lässt uns mit den Augen in die Weite schweifend ausgedehnte Wiesenwanderungen erleben, bei denen wir wie von selbst achtsamer werden. Eine Landschaft, die Zeit lässt um die Besonderheiten Stück für Stück zu entdecken. Da steht eben keine 3000der, welcher alle Blicke auf sich zieht und uns vom wesentlichen, den Dialog mit der Natur abhält.
Es gibt viel zu entdecken, im Leben, beim kontinuierlichen Gehen und im Mittelgebirge.
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